1920ER JAHRE

Ein Blick 100 Jahre zurück.

Eine digitale Ausstellung des Schweizer Finanzmuseums zur Wirtschaft der 1920er Jahre.

Tanz, Leichtigkeit und Aufbruchsstimmung

Marlene Dietrich: Der blaue Engel. Bild: Wikicommons

Marlene Dietrich: Der blaue Engel. Bild: Wikicommons

Die ganze Nacht hinweg bis in die frühen Morgenstunden tanzt man zu Klavierklängen: Der Charleston wird erfunden, der Jazz blüht auf. An den Tischen in den Nachtclubs wird um Geld gespielt. Der Qualm von Nikotin und Opium liegt in der Luft. In den mondänen Metropolen der westlichen Welt wie Paris, Berlin, London oder New York geniesst zumindest eine Elite aus Avantgardisten, Schönen und Reichen die euphorische Stimmung der 1920er Jahre.  

Marlene Dietrich singt im Film «DER BLAUE ENGEL»:

Auf Youtube reinhören - mit einem Klick aufs Bild.

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FREIHEIT UND LEBENSLUST IST ANGESAGT. MODERNE UND AUFBRUCH.

Vor allem für die Frauen: Nachdem aufgrund des Ersten Weltkriegs fast eine ganze Generation Männer fehlt, brechen alte Werte und herkömmliche Strukturen auseinander. Die Frauen, die während des Kriegs die fehlende Arbeitskraft der Männer ersetzten, finden zum ersten Mal wirtschaftliche Unabhängigkeit. Ebenso führen Staaten wie die USA (1920) und Deutschland (1918) das Frauenstimmrecht ein. Übrigens: In der Schweiz feiert das Frauenstimmrecht hingegen dieses Jahr das 50. Jubiläum; 1971 wird es eingeführt.

Bild: Wikicommons

Bild: Wikicommons

Technische Errungenschaften sind der Wegbereiter

Wichtige technische Erfindungen

Aktie der Ford Motor Company of Canada, 28.03.1907, mit Unterschrift von Henry Ford

Aktie der Ford Motor Company of Canada, 28.03.1907, mit Unterschrift von Henry Ford

Die Fliessbandarbeit

Henry Ford macht das Automobil zu einem Massenprodukt. Durch Standardisierung, die Vereinfachung der Produktionsprozesse, die er in einzelne Arbeitsschritte zerlegt, und die Einführung von Fliessbandarbeit in seiner Ford Motor Company senkt er die Herstellungskosten eines Autos enorm. Bereits ab 1913 läuft in seinen Werkstätten mit dem «Modell T» das erste Auto vom Band, das für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich ist. Um den Konsum zu fördern, bezahlt er seinen Arbeitern zudem höhere Löhne. Das beflügelt die Aktienmärkte.

Aktie der De Forest Radio Company, 07.06.1929

Aktie der De Forest Radio Company, 07.06.1929

Das Radio

Der Kanadier Reginald Fessenden strahlt am Heiligabend 1906 aus Brant Rock bei Boston in den USA die erste Radiosendung aus. Übertragen wird ein Largo von Händel und der Bibeltext «Ehre sei Gott in der Höhe». Der Erste Weltkrieg verzögert die Verbreitung des Radios, ab den 1920er-Jahren tritt das Medium seinen Siegeszug an. Mehrere Tausend Radiostationen senden in der ganzen Welt an ein Millionenpublikum. In den USA gilt Lee De Forest als der «Vater des amerikanischen Rundfunks». In den 1920er Jahren gehören Radioaktien zu den liebsten Spekulationsobjekten der Börsianer.

Aktie der Tobis Tonbild-Syndikat, 08.1931

Aktie der Tobis Tonbild-Syndikat, 08.1931

Der Tonfilm

Bereits 1918 erfinden drei deutsche Tontechniker, Joseph Engl, Joseph Masolle und Hans Vogt, ein Verfahren mit dem Namen Tri-Ergon, welches einen laufenden Filmstreifen mit einer einen Lichtstrahl abzutastenden Tonradspur verbindet. Unter der Ton-Bild-Syndikat AG (Tobis) vereinigen sich im August 1928 in Berlin verschiedene europäische Tonfilm-Patentinhaber und deren Finanziers. Ihr Ziel: eine Standardisierung der Tonfilmtechnik um der amerikanischen Tonfilmbranche, allen voran Warner Bros., zu trotzen, die ein Patent der Western Electric nutzen.

Aktie der Baird Television, Ltd. London, 16.12.1931

Aktie der Baird Television, Ltd. London, 16.12.1931

Das Fernsehen

1924 übermittelt John Logie Baird die ersten Schwarz-Weiss-Bilder über eine Distanz von ganzen drei Metern mit seinem «Televisor». Nachdem er diesen in einem Londoner Warenhaus erstmals dem staunenden Publikum vorführt, gründet er 1925 die Baird Television Company. Drei Jahre später gelingt es ihm, erstmals Fernsehbilder von London nach New York zu übertragen.

Aktie der Aircraft Manufacturing Company, 30.04.19XX (Jahr fehlt)

Aktie der Aircraft Manufacturing Company, 30.04.19XX (Jahr fehlt)

Die Aviatik

Zwei eindrückliche Beispiele für die Fortschritte in der Aviatik, die auch vermehrt den Weg der zivilien Lufftfahrt ebnen: Charles Lindbergh gelingt 1927 der Nonstopflug von New York nach Paris im Alleingang. Amy Johnson führt als erste Frau 1930 einen Alleinflug von England nach Australien durch und gilt  seither als berühmteste britische Pilotin. Ihre Maschine ist übrigens eine einmotorige Gypsy Moth von de Havilland. Der Flugzeugkonstrukteur De Havilland baut seine ersten erfolgreichen Maschinen für die Aircraft Manufacturing Company  - die Aktie zum Text.

Konjunktur im goldenen Jahrzehnt

DIE WIRTSCHAFT BOOMT.

Da die Produkte dank effizienteren Herstellungsmethoden günstiger werden, steigt die Nachfrage nach den günstigeren Gütern an. Somit steigt auch der Beschäftigungsgrad. Viele Menschen haben Arbeit, verdienen Geld und geben es aus.

Dow Jones von 1920 - 1930: Zählt der DJ Anfangs 1920 rund 100 Punkte, sind es 1929 zeitweise über 380 Punkte. Quelle: Samuel H. Williamson, 'Daily Closing Value of the Dow Jones Average, 1885 to Present,' MeasuringWorth

Dow Jones von 1920 - 1930: Zählt der DJ Anfangs 1920 rund 100 Punkte, sind es 1929 zeitweise über 380 Punkte. Quelle: Samuel H. Williamson, 'Daily Closing Value of the Dow Jones Average, 1885 to Present,' MeasuringWorth

Aktienindex des Statistischen Reichsamtes in Goldmark 1920–1928. Nach der Hyperinflation 1922 mit nur noch 2.75 Punkten, steigt er bis 1927 auf über 57 Punkte an. Quelle: Wikipedia

Aktienindex des Statistischen Reichsamtes in Goldmark 1920–1928. Nach der Hyperinflation 1922 mit nur noch 2.75 Punkten, steigt er bis 1927 auf über 57 Punkte an. Quelle: Wikipedia

... und das jähe Ende.

Ein Konjunkturabschwung bringt die Wende: Kursgewinne bleiben aus. Warnungen von Finanzexperten, die ein Platzen der Spekulationsblase voraussagen, werden ignoriert. Durch die fehlende Nachfrage beginnt ab Mitte Oktober 1929 ein Rückgang der Kurse. Dies führt schnell zu einer Panik unter den Anlegern, die ihre Wertpapiere rasch verkaufen möchten, um die Kredite zurückzahlen zu können. Am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929, kommt es schliesslich zum Zusammensturz der Kurse - das abrupte Ende des Aufschwunges. Dieser trifft auch die europäischen Börsen. Es folgt die Weltwirtschafskrise von 1929 bis 1933.

Wertpapiere aus den 1920er Jahren

In der Sammlung historischer Wertpapiere finden sich über 500 Wertpapiere aus den 1920er Jahren, noch längst nicht alle davon sind Gründeraktien. Hier eine kleine Auswahl, die aus unserer Sicht besonders gut in die goldenen Zwanziger Jahre passen - handeln sie doch von Konsumfreuden, Freizeit und Gesundheit.

 

Aux Galeries Lafayette

Aux Galeries Lafayette, 15.12.1922

1895 als Modewarengeschäft gegründet und 1899 in die Aktiengesellschaft 
«Aux Galeries Lafayette»
umgewandelt, gehört das Warenhaus bald zu den Grands Magasins von Paris. Im Jahr 1912 eröffnet das prachtvolle Gebäude mit der farbigen Glaskuppel des Jugendstilpalasts. Zehn Jahre später, 1922 eröffnet das Kaufhaus die Kunstgewerbewerkstätten "La Maîtrise" unter der künstlerischen Leitung von Maurice Dufrêne. Ziel dieser Werkstätten ist es, Werke wie Möbel, Stoffe, Teppiche, Tapeten oder Töpferwaren herzustellen, die für grosse und kleine Budgets zugänglich sind. 

HOTEL WALDORF-ASTORIA CORPORATION

Hotel Waldorf-Astoria Corporation, 01.09.1929

Was Rang und Namen hat, steigt im Waldorf-Astoria in New York an der Park Avenue ab. Ursprünglich standen das Waldorf und das Astoria Hotel – beide in den 1890er Jahren von Mitgliedern der reichen Familie Astor gegründet – an der Stelle, wo sich heute das Empire State Building erhebt. 1929 müsen sie dem Bauvorhaben weichen. Zur Finanzierung des Neubaus wird von der Hotel Waldorf-Astoria Corporation auch eine Hypothekaranleihe ausgegeben. Seit 1972 gehört das Hotel zur Hilton-Kette.

Madame Tussaud's (1926) Limited

MADAME TUSSAUD'S (1926) LIMITED, 05.09.1928

Madame Tussauds – die weltbekannte Touristenattraktion trägt noch immer den Namen ihrer Gründerin. Im Berner Haushalt des Dr. Curtius aufgewachsen, folgt Marie Grosholtz dem Wachsbildner nach Paris, der sie ausbildet und ihr später seine Wachsfigurensammlung hinterlässt. Nach den Wirren der Französischen Revolution lässt die inzwischen als «Marie Tussaud» bekannte Künstlerin ihren Ehemann und einen Sohn in Paris zurück, um in England mit einer Wanderausstellung Geld zu verdienen. Von 1802 bis 1835 tingelt sie durch Grossbritannien bis sie in London ihre erste permanente Ausstellung eröffnet. Im Jahr 1926 wandeln ihre Nachfahren das Wachsfigurenkabinett in eine Aktiengesellschaft um.

Parfums Marcel Guerlain

PARFUMS MARCEL GUERLAIN, 22.12.1924

Seit Generationen steht der Name «Guerlain» für die exklusivsten Parfüms der Welt. Von 1828 bis 1994 kreieren die Nachfahren des Pierre François Pascal Guerlain ein wahres Duftuniversum. Als im Jahr 1923 ein nicht mit der Familie verwandter Konkurrent unter dem Namen «Parfums Marcel Guerlain» sein eigenes Unternehmen in Paris eröffnet, kommt es zu einem jahrelangen Rechtsstreit. «Wir haben keinen Vornamen», so wirbt das alteingesessene Original, das heute zum Luxusgüterkonzern LVMH gehört.

Société Internationale des Écoles Berlitz

Société Internationale des Écoles Berlitz, 05.10.1928

Das Beherrschen verschiedener Sprachen und konstante Weiterbildung wird heute für eine erfolgreiche Karriere vorausgesetzt. Ein Pionier der internationalen Sprachschulen ist Maximilian Berlitz, der 1870 aus dem Schwarzwald nach Amerika auswandert. 1878 gründet er seine erste Schule, die bald Niederlassungen in Europa und später in der ganzen Welt errichtet. Die Société Internationale des Écoles Berlitz in Frankreich gibt es seit 1895. Berlitz verstirbt 1921. Er vererbt die Sprachschule an seinen Enkel Charles Berlitz, der später ein erfolgreicher Schriftsteller wird.

Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel

Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel, 20.05.1920

In der Schweiz ist Alexander Clavel der erste und bedeutendste Produzent von Teerfarben (Fuchsin). Seine 1859 gegründete Farbstofffabrik verkauft er 1884 an Bindschelder & Busch, die sie in die AG «Gesellschaft für Chem. Industrie in Basel» (kurz Ciba – als offizieller Firmenname aber erst ab 1945 im Einsatz) umwandeln. 1900 produziert die Ciba die ersten pharmazeutischen Wirkstoffe: Vioform, ein Antiseptikum und Salen, ein Antirheumatikum. In den 1920er Jahre sind Pharmazeutika ertragsreich und wachstumsstark, Ciba investiert deshalb auch in den Aufbau der wissenschaftlich-pharmazeutischen Abteilung. Ciba bringt in den 1920er Jahren mehrere Hormonpräparate auf den Markt, beispielsweise für Menstruations- und Wechseljahrbeschwerden.

Podcast zur Ausstellung

Professor Dr. Tobias Straumann zur Wirtschaft der 1920er Jahre.

Der 15-minütige Podcast greift das Thema der gleichnamigen digitalen Ausstellung des Schweizer Finanzmuseum auf und beleuchtet weitere Aspekte der damaligen wirtschaftlichen Entwicklungen. Einblick in die Wirtschaft der 1920er Jahre gibt Prof. Dr. Tobias Straumann. Er lehrt Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich und ist ehemaliges Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung historischer Wertpapiere, die das Schweizer Finanzmuseum betreibt.

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1920er Jahre in Kunst und Kultur

  • Babylon Berlin

    Babylon Berlin ist eine deutsche Krimiserie, die in den 1920er Jahren spielt. Sie ist mit einem Budget von knapp Euro 40 Millionen die bisher teuerste deutsche Fernsehproduktion und teuerste nicht-englischsprachige Serie. Für Staffel 3 liess sich die Serie vom Schweizer Finanzmuseum beraten.

  • «The Great Gatsby» ist ein 2013 erschienenes US-amerikanisches Filmdrama. Es handelt sich dabei um eine der Literaturverfilmungen des gleichnamigen Romans von Francis Scott Fitzgerald aus dem Jahr 1925.

    «The Great Gatsby» ist ein 2013 erschienenes US-amerikanisches Filmdrama. Es handelt sich dabei um eine der Literaturverfilmungen des gleichnamigen Romans von Francis Scott Fitzgerald aus dem Jahr 1925.

  • "Schall und Rauch" - das Kunsthaus Zürich widmete den 1920er eine Ausstellung. Bild: Félix Vallotton, La poudreuse, 1921, Privatbesitz

    "Schall und Rauch" - das Kunsthaus Zürich widmete den 1920er eine Ausstellung. Bild: Félix Vallotton, La poudreuse, 1921, Privatbesitz