Die älteste bekannte Obligation der Schweiz


Die älteste bekannte Obligation der Schweiz

Die Sammlung des Schweizer Finanzmuseum umfasst rund 10'000 Wertpapiere aus der ganzen Welt. Eines davon ist besonders interessant: Es ist eine der ältesten bekannten Obligationen der Schweiz. Diese wird in einer Zeit herausgegeben, wo zwar um territoriale Grenzen gekämpft, auf Geldflüsse aber nicht verzichtet wird.

Diese Wertschrift ist derzeit im Finanzmuseum nicht ausgestellt, sondern eingelagert. Sie wurde durch die Stiftung Sammlung historischer Wertpapiere 2006 über eine Auktion zugekauft. Wie dieses historische Dokument zur Auktion kam, ist nicht abschliessend geklärt. Es handelt sich dabei um einen handgeschriebenen Anleihevertrag Schweizer Kaufleute aus Basel, Luzern, Solothurn und Rheinfelden, datiert auf den 25. August 1545. Mit Adeligen aus dem heutigen Gebiet der Savoyen beschliessen die Kaufleute diesen Vertrag. 

Quelle: Marco Zanoli via Wikimedia Commons

Quelle: Marco Zanoli via Wikimedia Commons

Savoyen ist eine historische und kulturelle Region, die heute die Departements Hochsavoyen und Savoie in der Region Rhône-Alpes im Südosten Frankreichs umfasst. Im 11. Jahrhundert wird das Herzogtum des Haus Savoyen gegründet. Das Haus Savoyen baut sich im Mittelalter einen beachtlichen Staat auf, ausgehend aus der der Region des heutigen Savoyen nach Osten über die Alpen bis ins Piemont. Teile der Westschweiz, Nizza und Sardinien gehören phasenweise dem Herrschergeschlecht.

In der frühen Neuzeit wird Savoyen aufgrund seiner strategischen Lage mit der Verbindungen nach Italien zum Ziel der französischen Expansion. Obwohl Savoyen im 16. und 17. Jahrhundert mehrmals von französischen Truppen besetzt wird, gelingt es den Herzögen von Savoyen, es zurückzuerobern. Gleichzeitig verliert das überwiegend französischsprachige Savoyen seine Vormachtstellung unter den savoyardischen Ländern, da die Herzöge ihre italienischen Gebiete bevorzugen: Die Hauptstadt von Chambéry wird nach Turin im Piemont (1563) verlegt.

Während der französischen Revolutionskriege wird Savoyen 1792 von Frankreich annektiert und 1815 an seine traditionellen Herrscher zurückgegeben. Als Preis für die Zustimmung des französischen Kaisers Napoleon III. zur Bildung eines Staates, der Nordmittelitalien unter der Herrschaft des Hauses Savoyen umfasst, wurde Savoyen zusammen mit Nizza 1860 endgültig Teil Frankreichs.

Der Vertrag deutet auf die ausgedehnten Handelsnetzwerke der Herren der Alten Eidgenossenschaft hin. Es ist eine ereignisreiche Zeit. Teile der heutigen Westschweiz werden knapp 10 Jahre davor 1536 von den Bernern erobert. Bis dahin leben savoyardische Grafe im Schloss Chillon am Genfersee. Die Regionen rundherum gehören in den Einflussbereich Savoyens.

Die andauernden Auseinandersetzungen über Regionen der Alten Eidgenossenschaft und Savoyen, hindern Schweizer Kaufleute nicht daran, weiterhin ihr Geld im Ausland anzulegen. Im Gegenzug verpfänden die Empfänger des fünfjährigen Darlehens von 1545 – die Adeligen aus dem Herzogtum Savoyen – Ländereien inklusive Einnahmen und Steuern. Bereits in den beiden Jahrhunderten davor gewähren wohlhabende Bürger oder italienische Bankiers aus Genf adeligen Savoyarden Darlehen. Bis ins 16. Jahrhundert leihen die Untertanen des Herzogs von Savoyen Geld von eidgenössischen Städten aus. Dafür steht die Anleihe der Sammlung exemplarisch.

Anleihen sind Wertpapiere, die es heute noch gibt und oft an der Börse gehandelt werden. Sie werden zwischen mehreren Anlegern (Zeichner) und Ausgebern (Emittent) vereinbart. Für eine konkrete Laufzeit wird Kapital mit einer Verzinsung verkauft. Es ist also ein klassisches Mittel, um Fremdkapital zu beschaffen. Ausserdem kann eine Rückzahlung gefordert werden. Ein Unterschied zu «normalen» Krediten liegt beispielsweise darin, dass Anleihen öffentlich begeben werden.