Die erste Börsenchefin und der Start des elektronischen Handels


Die erste Börsenchefin und der Start des elektronischen Handels

Seit über hundert Jahren steht der 8. März als «Internationaler Tag der Frauen» für das Feiern der Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung, aber auch dafür, weltweit auf die bestehenden Diskriminierungen, Ungleichheiten sowie die Wichtigkeit der Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam zu machen. Dieser Blogartikel handelt passend dazu von einer Frau, die in ihrer Branche nicht nur aufgrund ihres Geschlechts Pionierinnenarbeit leistet. Antoinette Hunziker-Ebneter (1960*) wird erste Schweizer Börsenchefin überhaupt und bewegt dabei vieles. Die 1990er Jahre sind nämlich eine Phase des Umbruchs an der Zürcher Börse.

Der Crash von 1987

Der 19. Oktober 1987 geht weltweit als «Schwarzer Montag» in die Börsengeschichte ein. Es ist bis dahin der grösste wirtschaftliche Crash nach der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem zweiten Weltkrieg. Die massiven Einbussen an der Wallstreet werden unweigerlich wenig später auch an der Zürcher Börse spürbar. Das damalige Börsenbarometer Swissindex – Vorgänger des heutigen SMI – sinkt um 11,5 Prozent. Am Dienstag danach herrscht ein Ausnahmezustand an der Zürcher Börse. Dank dem Telefonhandel der Banken erhalten die Ringhändler zumindest gewisse Kursindikatoren. Die Grenzen des Handels «à la criée» werden merklich erreicht.

Gleichzeitig startet Antoinette Hunziker-Ebneter ihre Karriere im Finanz- und Risikomanagement 1987 mit einem Lizenziat in Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (lic. oec. HSG). Bei der Bank Leu ist sie zunächst in der Direktion Leiterin des Wertschriftenhandels und Verkaufs, bis sie 1989 zur Börse stösst. Von einer gleich zur nächsten Männerdomäne: Sie wird 1989 erste Vertreterin einer Ringbank bei der Zürcher Börse. 

Ich ging jeden Tag gerne über den Paradeplatz zur Börse. Kaum hatte man den Raum mit den Ringen betreten, wurde man von der Börsenluft erfasst. Es war einem sofort klar, wohin sich die Kurse bewegten. Es ging um die Sache, nicht darum, ob man eine Frau oder ein Mann war. Alle wollten die besten Börsenkurse erzielen. Es war intensiv, laut und sehr menschlich.

Währenddessen wird 1988 eine Plattform geschaffen, die den Handel mit Derivaten der Schweizer Börsen – Basel, Genf und Zürich – vereint. Parallel dazu wird in der Selnau mitten in Zürich bis 1992 ein neues Börsengebäude gebaut – darin stehen sechs Ringe. Bereits 1995 kam es dann zur Fusion: Die Genfer, Basler und Zürcher Börse schliessen sich zur SWX Swiss Exchanges zusammen.

Antoinette Hunziker-Ebneter

1987 - 1992 Bank Leu, Mitglied der Direktion, Leiterin Wertschriftenhandel und Verkauf
1995 - 2001/2  Chefin der Schweizer Börse SWX
2001 - 2002 virt-x, Leiterin 
2002 - 2005 Julius Bär, Leiterin des Trading- und Sales-Geschäftes sowie Mitglied der Konzernleitung
2006 - 2014 BKW-FMB Energie AG, Vizepräsidentin des Verwaltungsrates
2006 - heute Forma Futura Invest AG, Gründungspartnerin und CEO
2011 - heute waterkiosk Foundation, Mitgründerin und Vizepräsidentin
2014 - 2015 Berner Kantonalbank (BEKB), Verwaltungsrätin 
2015 - heute Berner Kantonalbank (BEKB), Verwaltungsratspräsidentin

Vom Handel «à la criée» zum Computerhandel

Aufgrund der sich schnell entwickelnden Kommunikationstechniken und der fortlaufenden Globalisierung wird ein strategisches Ziel 1991 erreicht: Die kantonalen Börsen von Lausanne, Neuenburg und St. Gallen werden eingestellt beziehungsweise konsolidiert. Diese kleineren Regionalbörsen haben an Attraktivität verloren. Deren Emittenten legen ihre Aktien lieber an den überregionalen und grösseren Börsen in Zürich oder Genf an. Das Gemeinschaftsprojekt «Elektronische Börsen Schweiz» wird 1992 ins Leben gerufen. Es herrscht Aufbruchstimmung an den europäischen Börsen, insbesondere getrieben durch das Technologiefieber und die Planung des Euros ab 1996. Diese Veränderungen stehen für den Umbruch. Langsam aber sicher werden die Börsen in Europa und Übersee Anfang der 1990er Jahre elektronisch. Die Schweizer Börse mit an vorderster Stelle.

Vom Telefonhandel hin zum ganz elektronischen System im Jahr 2002. Die Automatisierung von administrativen Abläufen stellt noch keine grössere Hürde dar. Doch in Bezug auf das Herzstück der Börse, den Handel selbst, verhärten sich die Fronten. Die Computerisierung des Handels ist ein holpriger Weg, nicht nur, weil sich ganze Berufsgruppen grundsätzlich verändern. Die Branche steht vor einer elementaren Änderung des gesamten Betriebs. Im Zuge dessen findet 1996 schlussendlich der letzte Ringhandel «à la criée» in Zürich statt. Eine hundertjährige Ära endet. Nach nur vier Jahren am neuen Standort werden die brandneuen Ringe in der Börse in der Selnau überflüssig. Es wird ruhig an der Börse.

Knapp zehn Jahre nach dem Crash von 1987 wird Antoinette Hunziker-Ebneter 1995 Chefin der Schweizer Börse, der SWX Swiss Exchange, bis 2001/2. Während dieser Zeit trägt sie massgeblich zum neuen Auftritt der SWX Swiss Exchange bei und setzt sich für die Strategie der Internationalisierung ein, die sich bewährt. 

Es war einmalig, zusammen mit meinen Geschäftsleitungskollegen, den Mitarbeitenden sowie dem VR an einem Paradigmenwechsel mitarbeiten, mitgestalten und mitentscheiden zu können. Wir haben es geschafft, das damals weltweit führende elektronische Börsensystem, welches erstmals die ganze Wertschöpfungskette digitalisiert hatte, zur Marktreife zu bringen und erfolgreich einzuführen.

Hunziker-Ebneter übernimmt 2001 die Führung der paneuropäischen Börse virt-x. Die virt-x war eine grenzüberschreitende und elektronische Aktienhandelsplattform, aktiv von 1995 bis 2009. Diese wird 2009 Tochtergesellschaft der SWX. Hunziker-Ebneter verlässt das Börsengeschäft 2001/2 und wird Mitglied der Konzernleitung der Privatbank Julius Bär. In der 2006 von ihr mitgegründeten unabhängigen Vermögensverwaltung Forma Futura Invest AG ist sie heute noch als CEO tätig, seit 2015 präsidiert sie ausserdem den Verwaltungsrat der Berner Kantonalbank. Mit der waterkiosk foundation engagiert sie sich für den Zugang zu sauberem Trinkwasser in Schwellenländern. 

Die Digitalisierung und die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Nachhaltigkeit und Diversität sind für mich die wichtigsten Veränderungen der letzten 20 Jahre. Damit die Diversität weiter verbessert wird und in 20 Jahren so gelebt wird, dass sie kein Thema mehr sein wird, braucht es verantwortungsbewusste und tatkräftige Frauen und Männer sowie gute Rahmenbedingungen.